
Food Noise: Wenn Gedanken ans Essen zur Belastung werden
Wir alle denken wohl mehrmals am Tag ans Essen. Doch bei manchen Menschen werden diese Gedanken geradezu zwanghaft:
„Food noise“ nennt sich das Phänomen, bei dem das Essen ständig präsent ist – und das den Alltag stark belasten kann.
Schon während man isst, denkt man an die nächste Mahlzeit. Und auch sonst hat man nur Snacks und Leckereien im Kopf – auch dann, wenn man eigentlich gar keinen Hunger hat. Zwanghaftes Denken an Essen betrifft viele Menschen. Und das Problem hat einen Namen: „Food Noise“ oder auf Deutsch: „Essenslärm“.
Was bedeutet „Food Noise“?
Der Begriff „Food Noise“ stammt nicht aus der Medizin, sondern aus der Alltagssprache und hat sich vor allem über die sozialen Medien stark verbreitet. Gemeint sind Gedanken ans Essen, die sich ständig aufdrängen. Aus wissenschaftlicher Sicht spricht man von einer verstärkten Reaktion auf Essensreize („Food Cue Reactivity“). Das bedeutet: Bilder, Gerüche oder Situationen lassen das Gehirn besonders aufmerksam werden. Dadurch steigen Appetit und Verlangen nach Nahrung, ganz unabhängig davon, ob der Körper wirklich Energie braucht. Die Folgen reichen von einem ungesunden und unkontrollierten Essverhalten über Gewichtszunahme und damit verbundene Probleme mit dem Stoffwechsel bis hin zu psychischen Problemen.
Was passiert im Kopf?
Unser Gehirn verfügt über ein Belohnungssystem, das uns normalerweise dazu motiviert, an wichtige Dinge wie Nahrung oder auch an soziale Kontakte zu denken. Bei manchen Menschen reagiert dieses System jedoch übermäßig stark, wenn es mit Essensreizen in Kontakt kommt. Gleichzeitig sind die „Sättigungssignale“ weniger wirksam – das macht es schwer, die Gedanken ans Essen auszublenden.

Wann wird es problematisch?
Wir alle denken hin und wieder ans Essen – spätestens, wenn wir Hunger haben. Problematisch wird es, wenn diese Gedanken überhandnehmen, den Alltag bestimmen oder zu Kontrollverlust beim Essen führen. Dann kann eine Essstörung wie die Binge-Eating-Störung vorliegen, bei der es zu periodischen Heißhungerattacken kommt und Betroffene die bewusste Kontrolle über ihr Essverhalten verlieren. Fachleute raten in solchen Fällen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und sich an eine Ärztin oder einen Arzt zu wenden.
Was hilft gegen Food Noise?
- Alltag anpassen: Kleine Strategien gegen Food Noise können schon viel bewirken. Halten Sie feste Essenszeiten ein, bewahren Sie Snacks außer Sichtweite auf und meiden Sie Reize wie Essenswerbung gezielt. So lassen sich typische „Trigger“ für Food Noise abschwächen.
- Psychotherapie: Bei ernsthaften Essstörungen wie dem Binge-Eating hat sich vor allem die kognitive Verhaltenstherapie bewährt. Sie hilft dabei, Auslöser zu erkennen, gesündere Denk- und Essmuster aufzubauen und Essensreize besser zu kontrollieren.
- Medikamente: Neuere Forschungen zeigen, dass bestimmte Medikamente, sogenannte GLP-1-Rezeptor-Agonisten – dazu gehört zum Beispiel Semaglutid, das ursprünglich zur Behandlung von Diabetes entwickelt wurde –, genau hier ansetzen: GLP-1-Rezeptor-Agonisten dämpfen die übersteigerte Belohnungsreaktion auf Essen. Entsprechend ist Semaglutid den meisten auch im Zusammenhang mit der „Abnehmspritze“ ein Begriff. Und viele Food noise-Betroffene berichten, dass die ständigen Gedanken ans Essen durch das Medikament deutlich nachlassen.
Food noise – Einzelfälle oder Gesellschaftsproblem?
Food noise betrifft nicht nur Einzelne. Wir alle sind heutzutage mehr weniger stark dem Lärm ums Essen ausgesetzt. In den Städten gibt es Supermärkte, Bäckereien, Imbissbuden und Werbung für Fast Food und Lebensmittel an jeder Ecke. In den sozialen und auch den klassischen Medien wird permanent darüber diskutiert, was man essen sollte und was nicht: Fleisch oder kein Fleisch? Vegetarisch, vegan oder flexitarisch? Bioqualität oder Supermarktware? Nachhaltig oder gesund oder beides?
Sich den Gedanken ans Essen zu entziehen, ist daher kaum möglich. Doch es gibt Unterstützung, zum Beispiel bei einem Ernährungscoaching. Denn ein gesundes Essverhalten kann man lernen – und den „Essenslärm“ damit viel leichter ignorieren.